Léo Marchutz dans son atelier à Château Noir

DAS CHATEAU NOIR
Ein Beitrag zur Topographie von Cézannes Aixer Landschaften
September/Oktober 1934

I.

So groß und mannigfaltig der Themenkreis Cézannes auch war, so beschäftigte er sich doch oft mit den selben Motiven, so dass sein Oeuvre sich in eine Anzahl mehr oder minder deutlich zu unterscheidenden Gruppen teilen ließe, unter denen nicht nur die Stilleben und die verschiedenen figürlichen Szenen mit ihren zahlreichen Varianten große Komplexe bilden, sondern auch die Landschaften. Unter ihnen dominieren die Landschaften aus der Provence, bei denen man allgemein die Motive aus l’Estaque, aus Gardanne und aus der Umgebung von Aix unterscheidet, wobei jedoch die Zuteilung zu diesen Gruppen häufig noch wenig exakt ist. So z.B. ist ein Photo Durand-Ruels nach einem Gardannebild mit der charakteristischen pyramidenförmigen Ansicht der Stadt als „l’Estaque“ bezeichnet und wird unter diesem Titel auch bei Klingsor abgebildet (T.Klingsor: Cézanne. Rieder, Paris 1923, Abb. 28). Ebenso ist die Zuschreibung der l’Estaque-Bilder nicht immer einwandfrei, obwohl hier die Seelandschaft mit den die Bucht umgebenden Bergen wenig Möglichkeiten zu Verwechslungen gibt. Bei den Werken aus der näheren Umgebung von Aix wird die Frage der topographischen Zuteilung dadurch erschwert, dass hier abermals Untergruppen unterschieden werden müssen, wie vor allem sämtliche Bilder aus dem „Jas de Bouffan“, der Besitz der Eltern Cézannes, dessen breite Kastanienallee, dessen großes Wohnhaus mit seinen Anbauten, dessen Brunnenbassin mit wasserspeienden Löwen und Delphinen auf zahlreichen Bildern wiederkehren. Daneben wurde bisher viel von einer allgemeinen Gruppe der Mont Ste. Victoire-Bilder gesprochen, obwohl die Ansichten des Berges von den verschiedenen Himmelsrichtungen aus so verschieden sind, dass man hier zumindest drei Hauptansichten unterscheiden sollte: zunächst der Ste. V. südwestlich von Aix aus gesehen. Dort erscheint der Berg in der Form eines abgestumpften Kegels. Zu dieser Gruppe gehören vor allem die Bilder und Aquarelle des „Ste. Victoire mit dem Eisenbahnviadukt“, die eine halbe Stunden Wegs vom „Jas de Bouffan“, von dem Besitz des Schwagers aus entstanden. Dieser Besitz, selbst „Bellevue“ genannt, ist auf zahlreichen Bildern dargestellt, die für sich eine weitere topographische Gruppe bilden könnten.

Die zweite Ansicht ist die des Ste. Victoire bei Gardanne, wo der Berg in der völlig veränderten Form eines zerklüfteten, langgestreckten Plateaus erscheint; endlich eine größere Anzahl später Bilder und Aquarelle, in denen der Ste. V. vom Chemin des Lauves aus dargestellt ist, d.h. ein wenig oberhalb des von Cézanne im Jahre 1908 nördlich der Stadt erbauten Ateliers. Dort wird der Berg vom sanft ansteigenden Rücken her sichtbar, während er vorne steil abfällt.
Doch mit diesen Gruppen: dem Jas de Bouffan, Bellevue, und den diversen Ste. V. Ansichten sind Cézannes Aixer Motive noch nicht erschöpft. Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang vor allem noch dem Chateau Noir zu. Die Gruppe der Bilder, die in diesem großen Besitz – wenige Kilometer von Aix in der Richtung zum Ste. V. – entstanden, steht an Umfang kaum der Gruppe der Jas de Bouffan-Bilder, nach, mit dem Unterschied allerdings, dass die Zahl der verschiedenen Motive, die Cézanne im Wald des Chateau Noir wählte, grösser ist als die seines viel begrenzteren elterlichen Besitzes.

Cézanne hat die „Propriété du Chateau Noir“ zweifellos schon in seiner Jugendzeit gekannt, denn dort vorbei führt der Weg ins Tholonet, den er oft mit seinem Freunde Zola einschlug, um zum Ste. V. zu gelangen. Der kleine, aus nur wenigen Häusern bestehende Ort le Tholonet hat schon oft als Titel für die verschiedensten Bilder dienen müssen, tatsächlich ist es aber bisher noch nicht gelungen, auch nur ein einziges Bild als wirklich aus dem Tholonet stammend zu identifizieren. Dagegen hat Cézanne vor der Jahrhundertwende in der Carrière Bibémus gearbeitet, die nördlich auf dem Hügel überm Tholonet, unweit des Chateau Noir liegt. Cézanne hatte dort am Steinbruch von 1895/1899 ein kleines Häuschen gemietet, um seine Bilder unterzustellen und evtl. auch übernachten zu können. Von dort stammen die Bilder mit den seltsam zerklüfteten rotgelben Felsmassen, zwischen denen Buschwerk und Pinien wachsen und hinter denen in einem Bilde das Massiv des Ste. V. emporsteigt.

Schon vor 1895 aber muss Cézanne auch auf dem Chateau Noir gearbeitet haben, denn das Bild „Chateau Noir durch die Bäume gesehen“ (Abb. N° 9) ist vor dieser Zeit entstanden. Die jetzige Besitzerin des Chateaus, die ihn in ihrer Jugend noch auf dem Chateau malen sah, und der wir viele nützliche Hinweise verdanken, behauptet, dass Cézanne sich dort bereits im Jahr 1887 einen Unterstellraum gemietet habe, den er volle 15 Jahre innehatte. Doch fast sämtliche bekannten Werke vom Chateau Noir entstanden später, zwischen 1895 und dem 1906 erfolgten Tode Cézannes.

Es muss hier erwähnt werden, dass es Cézanne häufig nicht gelang – teils wegen des seltsamen Ansehens, das er in Aix genoss, teils wohl auch wegen seiner „timidité“ – die Erlaubnis zum Malen in fremden Besitzen zu erhalten. Das mag unter anderem vielleicht auch erklären, warum in seinen Landschaftsdarstellungen immer der Besitz seines Vaters und seines Schwagers wiederkehren, ebenso wie der Bibémus, und das Chateau Noir, wo er jetzt Räume gemietet hatte. Sonst aber arbeitet er vorzugsweise an Stellen, die abseits der Straßen lagen, häufig auf Anhöhen, von denen es ihm möglich war, anrückende Störenfriede rechtzeitig zu erblicken, um nicht bei der Arbeit überrascht zu werden.

Das Chateau Noir war stets einen großen Teil des Jahres unbewohnt, was Cézannes Liebe zu diesem Ort verstärkt haben mag. Nach dem Verkauf des „Jas de Bouffan“ im Jahre 1899 machte Cézanne den Versuch, wie Mme Tessier berichtete, das Chateau Noir und das dazugehörige Gelände des hinter ihm ansteigenden bewaldeten Hügels zu erwerben. Da die Besitzer auf seine Kaufvorschläge nicht eingingen, blieb es bei der Vermietung einer kleinen, am inneren Hof gelegenen Kammer, um seine Leinwände und Malgeräte abzustellen. Im Jahre 1902 musste er diese Kammer aufgeben, da sie von der Chateau Besitzerin beansprucht wurde. Bei dieser Gelegenheit soll er einen großen Teil seiner Bilder auf der Terrasse verbrannt haben, wodurch sich vielleicht die geringere Anzahl der vor 1902 entstandenen Chateau Noir Werke erklären lässt.

In dieser Zeit fällt die Erbauung von Cézannes Atelier am Chemin des Lauves, dicht oberhalb von Aix, aus dessen Umgebung die zahlreichen bereits erwähnten Ste. V. Bilder stammen. Trotzdem aber setzte Cézanne seine Arbeit auf dem Chateau Noir fort. Es finden sich unter seinen späten Provence-Landschaft nur noch Bilder von Ste. V. und aus der „propriété du Chateau Noir“, während aus dem „Jas de Bouffan“ nach 1899 keine Bilder mehr bekannt sind.

II.

Das hier veröffentlichte Material wurde während eines mehrjährigen Aufenthaltes auf dem Chateau Noir zusammengestellt. Es ist schon deshalb nicht vollständig, weil uns keineswegs alle Bilder und Aquarelle Cézannes bekannt sind, hinzu kommt außerdem, dass sich nicht mehr alle seine Motive identifizieren lassen. Das heißt, es mögen noch weit mehr als hier wiedergegebenen Bilder am Chateau Noir entstanden sein – vor allem Waldstücke, auf denen Bäume und Felsblöcke, meist ohne Himmel, erscheinen, und von denen es eine große Anzahl gibt, ebenso wie Baum- und Felsstudien. Obwohl häufig keine Zweifel daran bestehen können, dass solche Werke zur Chateau Noir Gruppe gehören, war es doch nicht immer möglich, das exakte Motiv Cézannes aufzufinden. Wo dies aber gelang und wo weder der Baumwuchs noch andere Veränderungen das Aussehen des Platzes zu sehr verwandelten, haben wir uns bemüht, anhand des Gemäldes oder der Aquarelle, den genauen Standpunkt Cézannes festzustellen und das Motiv von dort aufzunehmen. Diese Photos werden die ganz besondere Porträttreue der Werke Cézannes abermals beweisen und das Verständnis mancher gegenständlich unklarer Motive erleichtern. Daneben mögen sie denen die Cézannes Motive aufzusuchen wünschen, als Wegweiser dienen.

Daß auf den Photos, die ja rund 30 Jahre nach Cézannes Werken entstanden, viele Baumstämme dicker und kräftiger sind, andere dagegen ganz fehlen, daß das Laubwerk dichter ist und daß junge Bäume hinzugekommen sind, darf natürlich nicht verwundern. Da aber gleichzeitig aus Cézannes Motiven fast ausnahmslos auch Gebäude, Felsmassen, Wege oder ähnliche Dinge erscheinen, die sich im Laufe der Zeit nicht verändern, so ist die Übereinstimmung zwischen dem Bild und dem heutigen Zustand des Motives jeweils doch immer noch sehr groß.

Da es sich hier um einen Beitrag zur Topographie des Cézanne-Werkes handelt, muss auch die Anordnung der Abbildungen topographisch erfolgen. Eine chronologische Anordnung stieße überdies auf große Schwierigkeiten, denn es ist kaum möglich, die Chateau Noir Bilder anders einzuteilen als wie folgt: vor 1895, von 1895 bis 1903, nach 1903. Andere Anhaltspunkte für die Zeit der Entstehung als dieser Schätzung auf Grund stilkritischer Vergleiche gibt es nicht, da die in Frage kommenden Werke weder datiert noch signiert sind.
Zur Veranschaulichung dieser topographischen Anordnung wurde ein Plan „de la propriété du Château Noir“ beigefügt, in den die sämtlichen hier abgebildeten Motive eingezeichnet sind, und zwar so, dass die nummerierten Punkte dem jeweiligen Standpunkt Cézannes entsprechen, während die Pfeile die Blickrichtung angeben. Die Ziffern der verschiedenen Motive entsprechen denen der Abbildungen.

(hier folgt die Widergabe des Geländeplanes)

Das Gebiet des Chateau Noir liegt an einem dicht bewaldeten Hügel, den nach Norden eine Felsbarriere abschließt (barre de rochers), an der eine Reihe Aquarelle und Ölbilder entstanden. Die größere Anzahl der Motive befindet sich jedoch in mittelbarer Nähe des Parkweges (Sentier), der, von der „petite route du Tholonet“ abzweigend, durch den Wald zum Chateau führt und an vielen Stellen den Blick auf dieses freigab. Das Chateau – in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erbaut – besteht aus zwei Gebäuden, die in rechtem Winkel zueinander gestellt sind, sodass die Front des höheren Haupthauses sich nach Süden richtet, der „petite route du Tholonet“ zu, während die Front des breiteren Seitenbaus nach Westen gekehrt ist. Vor den Gebäuden liegt eine Terrasse; im Winkel, den sie miteinander bilden, befindet sich der innere Hof, der so hoch liegt, dass er direkten Zugang zu den ersten Stockwerken der beiden Häuser gewährt. An diesem Hof, und zwar im Seitenbau, befindet sich die Kammer, die Cézanne auf dem Chateau Noir innehatte.

(Hier folgt die Gegenüberstellung der Bilder, bzw. Aquarelle mit den Photos der Motive und jeweils einigen knappen Erläuterungen).

III.

[Dieser Teil dient der Beschreibung der 22 reproduzierten Bildern, die im Chateau Noir entstanden sind]

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